Die Gene­rationen­soli­darität als Kernstück

Lea Sprunger - The winning formula of a European champion

Die Solidarität zwischen den Generationen spielt in der Krankenversicherung eine zentrale Rolle. Sie ermöglicht zahlbare Prämien auch für ältere und kränkere Menschen.

Interview mit Christian Schmid: Solidarität zwischen den Generationen

Die Solidarität zwischen den Generationen spielt in der Krankenversicherung eine zentrale Rolle. Sie ermöglicht zahlbare Prämien auch für ältere und kränkere Menschen. Weshalb das so ist, erklärt Christian Schmid im Interview.

Das Prinzip der Krankenversicherung in der Schweiz basiert darauf, dass jüngere Versicherte mithelfen, die Kosten älterer Versicherter mitzutragen. Ist ein solches System gerecht?

Das ist letztlich eine gesellschaftliche Frage. In der Schweiz gibt es offensichtlich einen Konsens darüber, dass die Solidarität zwischen den Generationen wichtig ist, man denke zum Beispiel an die AHV oder eben die Krankenversicherung. Es ist also davon auszugehen, dass die Schweizer Bevölkerung ein solches System als gerecht empfindet und mitträgt.

Wäre ein Krankenversicherungssystem ohne Generationensolidarität überhaupt denkbar?

Theoretisch schon. Allerdings müssten in einem solchen System die älteren und kränkeren Versicherten höhere Prämien bezahlen. Es bestünde sogar die Gefahr, dass die Versicherungsprämien für sie unbezahlbar würden. Eine Krankenversicherung ohne Generationensolidarität ist in der Schweiz daher praktisch kaum vorstellbar.

Personen über 60 Jahre vermögen die Kosten nicht mehr selber zu decken.
Christian Schmid

Wer profitiert im System von der Generationensolidarität und wer bezahlt?

Es gibt zwei Altersgruppen, die mit ihren Prämien ungefähr die Kosten decken, die sie verursachen: Kinder und Jugendliche bis 18 sowie die 56- bis 60-Jährigen. Personen über 60 Jahre vermögen die Kosten nicht mehr selber zu decken. Verbleibt letztlich die Altersgruppe 19 bis 55 Jahre. Diese zahlt mehr Prämien, als sie Kosten verursacht.

Wir Menschen werden immer älter und mit dem Alter steigen die Gesundheitskosten.
Kann vor diesem Hintergrund die Generationensolidarität aufrechterhalten werden?

Wir werden zwar tatsächlich immer älter. Aber wir werden auch gesünder älter. Das Alter, in dem die wirklich hohen Kosten anfallen, steigt also. Aber es ist klar, dass gerade bei hochbetagten Menschen die Kosten stark steigen. Letztlich ist es vor allem eine gesellschaftliche und damit politische Frage, inwieweit die Krankenversicherung für Generationensolidarität sorgen soll.

Systemverbesserungen könnten massgeblich dazu beitragen, dass man die Solidarität zwischen den Generationen nicht ausreizen muss.
Christian Schmid

Es besteht die Gefahr, dass die Solidarität zwischen Jung und Alt irgendeinmal ausgereizt sein wird. Wo sähen Sie einen Lösungsansatz, um das Problem zu entschärfen?

Es ist unbestritten, dass im Schweizer Gesundheitssystem zahlreiche Fehlanreize bestehen, die zum Beispiel zu unnötigen Behandlungen führen, oder Fehlanreize durch zu hohe Medikamentenpreise. Entsprechende Systemverbesserungen könnten massgeblich dazu beitragen, dass man die Solidarität zwischen den Generationen nicht ausreizen muss.

Generationensolidarität wird nicht bloss innerhalb einer Krankenversicherung gelebt,
sondern in Form des Risikoausgleichs auch zwischen den einzelnen Kranken­ver­sicherern. Wie funktioniert dieser Ausgleich?

Mit dem Risikoausgleich wird vereinfacht ausgedrückt Geld von Krankenversicherungen mit vielen jungen, gesunden und damit günstigen Versicherten zu Krankenversicherern transferiert, die mehr ältere Menschen versichern, die höhere Kosten verursachen. Der Risikoausgleich wurde 1993 als vorerst temporäre Massnahme eingeführt und hatte zum Ziel, die «Jagd» nach jungen, kostengünstigen Versicherten – die sogenannte Risikoselektion – einzudämmen. 2014 wurde der Risikoausgleich fix im Gesetz verankert. Seit seiner Einführung wurde er auf der Basis von Erkenntnissen des CSS Instituts laufend verfeinert. Kamen zu Beginn einzig Alter und Geschlecht als Kriterien zur Anwendung, wurden nach und nach weitere Faktoren berücksichtigt, zum Beispiel ob eine Person im Spital behandelt wurde und wie viel Arzneimittelkosten sie verursacht.

Wer ist Christian Schmid?

Der 39-jährige Christian Schmid ist ausgebildeter Volkswirt. Er kam 2015 als wissenschaftlicher Mitarbeiter zum CSS Institut für empirische Gesundheitsökonomie. Im vergangenen Jahr wurde er zum Institutsleiter ernannt.

Christian Schmid, Leiter CSS Institut
Christian Schmid ist seit 2020 Leiter des CSS Instituts.

CSS Institut für empirische Gesundheitsökonomie

Das Institut wurde im Jahr 2007 gegründet und widmet sich der wissenschaftlichen Lehre und Forschung rund um das Thema Krankenversicherung. Mit seinen Forschungsergebnissen fördert das Institut auch den politischen Diskurs.

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