Gicht: Ursachen, Behandlung und Ernährung

Gicht: Ursachen, Behandlung und Ernährung

Mitten in der Nacht weckt ein brennender Schmerz im Grosszeh – selbst die Berührung der Bettdecke ist unerträglich. Ein Gichtanfall bleibt Betroffenen oft lebenslang in Erinnerung. Was löst die Anfälle aus, welche Rolle spielt die Ernährung – und wie behandelt man die Volkskrankheit Gicht?

Was ist Gicht?

Gicht ist eine Stoffwechselerkrankung, die durch zu hohe Harnsäurewerte im Blut entsteht. Diese überschüssige Harnsäure kann sich zu Kristallen verhärten, die sich in den Gelenken ablagern und dort eine Entzündung auslösen. Dieser Prozess – auch Ausfallen der Kristalle genannt – löst den schmerzhaften Gichtanfall aus.

Einst die Krankheit der Könige

Früher nannte man Gicht die Krankheit der Könige, weil sie mit übermässigem Fleisch- und Alkoholkonsum in Verbindung gebracht wurde – ein Luxus, den sich damals nur Reiche leisten konnten. «Gicht kann aber jeden und jede treffen», erklärt Dr. med. Alexander Nydegger, Facharzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation. «Zumindest jeden Menschen, denn im Gegensatz zu mehreren Tierarten hat der Mensch im Laufe seiner Entwicklung die Fähigkeit verloren, Harnsäure abzubauen. Das macht uns anfällig für Gicht», führt der Chefarzt der Rehaklinik Zollikerberg weiter aus.

Typische Symptome eines Gichtanfalls

Ein erhöhter Harnsäurespiegel allein verursacht oft noch keine Beschwerden. «Viele Menschen haben zu viel Harnsäure im Blut und sind völlig symptomlos», sagt Alexander Nydegger. Kommt es jedoch zu einem ersten Gichtanfall, werden Betroffene diesen so schnell nicht wieder vergessen: Starke Schmerzen, oft über Nacht, machen selbst die feinsten Berührungen unerträglich. Typischerweise sind Gelenke betroffen, die weit von der Körpermitte entfernt liegen. «Je weiter weg, desto kälter – und desto leichter fallen die Kristalle aus», erklärt Dr. Nydegger. Besonders häufig entzündet sich das Grundgelenk des Grosszehs.

Ursachen und Auslöser von Gicht

Welche Ursache der Gicht im Einzelfall genau zugrunde liegt, ist häufig nicht eindeutig klar. Auch nicht, warum bei manchen Menschen der schmerzhafte Gichtanfall zuschlägt und bei anderen nicht. Fest steht aber: Das Abfallprodukt Harnsäure spielt bei der Entstehung eine entscheidende Rolle. Und: Mit dem persönlichen Lebensstil lässt sich vieles beeinflussen – positiv wie negativ.

Die Harnsäure im Fokus

Harnsäure entsteht als Abfallprodukt des Zellabbaus, konkret beim Abbau von Purin. Sie wird normalerweise über die Nieren ausgeschieden. Wenn zu viel davon produziert wird oder die Ausscheidung eingeschränkt ist, steigt der Harnsäurespiegel im Blut und damit das Risiko für einen Gichtanfall.

Ernährung als Risikofaktor

Purine stecken auch in vielen Lebensmitteln, die damit mögliche Trigger für einen Gichtanfall sind. Dazu gehören insbesondere rotes Fleisch, Innereien, gewisse Meeresfrüchte und alkoholische Getränke – vor allem Bier. Besonders tückisch: Vermeintlich gesunde fruchtzuckerhaltige Produkte wie Säfte begünstigen ebenfalls Gichtanfälle.

Gicht aus Veranlagung oder Begleiterkrankung

Neben der Ernährung spielen auch genetische Faktoren eine Rolle. «Manche Menschen haben es schwerer, Harnsäure auszuscheiden», erklärt Dr. Nydegger. Ebenso tritt Gicht häufig auch als Begleiterkrankung bei Blutkrebs auf, da bei diesem Zellen zuhauf zerfallen und damit massenhaft Harnsäure anfällt. Auch bei einer schweren Psoriasis (Schuppenflechte) kann zusätzlich eine Gicht entstehen. «In solchen Fällen hilft meist auch die beste Ernährung wenig», betont Alexander Nydegger.

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Diagnose und wichtige Abgrenzungen

Die typischen Symptome und der Verlauf eines Anfalls liefern oft schon einen klaren Hinweis. Die Messung des Harnsäurespiegels im Blut sichert die Diagnose – allerdings erst nach Abklingen des akuten Anfalls, da der Wert dann typischerweise niedriger ist. Denn: Während des Anfalls gelangt die Harnsäure in Form von Kristallen aus dem Blut in die Gelenke.

Lebensrettende Abgrenzung

Ein akuter Gichtanfall kann mit einer lebensbedrohlichen septischen Arthritis verwechselt werden, die meist mit hohem Fieber verbunden ist. «Das muss unbedingt unterschieden werden», warnt Dr. Nydegger. «In schwierigen Verdachtsfällen entnehmen wir Flüssigkeit aus dem Gelenk, untersuchen diese und schicken den Patienten ins Spital. Der Hauptunterschied: Der Gichtanfall ist nach ein paar Tagen vorbei – bei einer Sepsis ist das Gelenk zerstört und der Patient eventuell tot.» Für Betroffene heisst dies: Lieber einmal schneller als langsamer ärztlichen Rat suchen, wenn Gichtsymptome zusammen mit Fieber auftreten.

Akuter Gichtschub – was tun?

Während eines Gichtschubs steht die Linderung der akuten Schmerzen und der Entzündung im Vordergrund. Das Basisrezept, um Linderung zu verschaffen:

  • kühlen
  • hochlagern
  • entzündungshemmende Schmerzmittel
  • Kortison kann zum Tragen kommen, wenn andere Schmerzmittel wegen einer geschädigten Niere keine Option sind.

Wann zum Arzt?

«Die meisten Patientinnen und Patienten suchen bei einem ersten Gichtschub von selbst ärztlichen Rat, weil die Schmerzen so stark sind und das Ibuprofen, das man noch zu Hause hat, zu wenig hilft», erläutert Dr. Nydegger. «Für die Messung des Harnsäurespiegels müssen sie dann zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu uns kommen, weil die Werte während des Schubs typischerweise tiefer sind.»

Langfristige Behandlung von Gicht

Ist die Diagnose Gicht bestätigt, gilt es, einen Weg zu finden, um den Harnsäurespiegel langfristig zu senken. Die Anpassung der Ernährung ist ein wichtiger Schritt dazu.

Ernährung als Schlüssel zur Kontrolle der Gicht

Sich bei der Metzgete den Bauch vollschlagen, viel Bier dazu und dann noch draussen in der Kälte rumstehen, zum Beispiel beim Rauchen – der Klassiker an Kombinationsfaktoren, um als Gichtpatient einen Schub auszulösen. Es braucht aber nicht immer so viel und ist sehr individuell. Grundsätzlich gilt: Meiden Sie bei Gicht Lebensmittel mit hohem Puringehalt wie rotes Fleisch, Innereien und Alkohol (besonders Bier und Schnaps). Auch fruchtzuckerhaltige Produkte wie Fruchtsäfte oder «Light»-Fruchtjoghurts sind kritisch, da sie die Bildung von Harnsäure fördern.

Hilfreiche Lebensmittel

Milchprodukte wirken sich laut dem Experten hingegen positiv aus und senken das Risiko. «Auch Vitamin C und Kaffee wird eine gewisse schützende Wirkung nachgesagt, wobei dies individuell unterschiedlich ist und kein Freipass sein soll, zum Grosskonsumenten von Kaffee und Brausetabletten zu werden», erläutert Alexander Nydegger. Wer häufiger unter Gichtanfällen leidet, profitiert von einer professionellen Ernährungsberatung. Sie hilft dabei, persönliche Risikofaktoren zu erkennen und den Speiseplan gezielt anzupassen.

Medikamente zur Harnsäuresenkung

Um stärkere Gicht langfristig zu kontrollieren, braucht es neben der Diät auch Medikamente. Die gute Nachricht: Das meistverordnete Medikament bei Gicht, Allopurinol, hilft den meisten Betroffenen gut, indem es die Harnsäureproduktion hemmt.

Nebenwirkungen

Die schlechte Nachricht: Bei Gichtbetroffenen mit einem Nierenproblem wird es deutlich schwieriger, denn Allopurinol schadet diesen zusätzlich. Alternativ gibt es das Medikament Febuxostat, das bei leichter Niereninsuffizienz besser vertragen wird, allerdings um ein Vielfaches teurer ist. Eine weitere Option sind sogenannte urikosurische Medikamente, die die Harnsäureausscheidung erhöhen – doch auch diese sind schwierig bei Nierenpatienten. Andere Medikamente sind entweder in der Schweiz nicht zugelassen, enorm teuer, speziellen Patientengruppen wie Krebspatienten vorbehalten oder aufwendig zu verabreichen.

Stand der Forschung

Die Forschung und Entwicklung geht in verschiedene weitere Richtungen, bisher leider mit bescheidenem Erfolg. «Patienten mit Gicht und einer Niereninsuffizienz haben also eher den Schwarzen Peter gezogen, das heisst, sie sind deutlich schwieriger behandelbar», bedauert Dr. Nydegger. «Und auch ganz unabhängig von einer allfälligen Nierenproblematik: Es gibt auch immer wieder mal so schwere Formen der Gicht, dass wir kaum ein Mittel finden, das hilft. Zum Glück sind dies Einzelfälle, und wir tun, was wir können, um auch diesen die bestmögliche Linderung zu verschaffen.»

Fazit – Gicht ist meist gut behandelbar

Wichtig ist: Gicht ist keine Schwäche oder ein persönliches Versagen, sondern eine Krankheit, die jeden treffen kann. «Betroffene sollen wissen, dass es gute Möglichkeiten gibt, Gicht erfolgreich zu behandeln. Mit der richtigen Ernährung, Medikamenten und einer guten ärztlichen Betreuung lässt sich die Erkrankung bei den meisten Menschen gut in den Griff bekommen», schliesst Alexander Nydegger.

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