Schlafmangel: das sind die Folgen
Eine breite Masse an Studien zeigt: Schlafmangel hat verheerende Folgen. Diese Folgen dürfen aber weder unterschätzt noch überspitzt werden.
Reaktionsfähigkeit so schlecht wie unter Alkoholeinfluss
Jeder kennt es: Nach einer kurzen Nacht ist man müde und wenig konzentriert. Zieht sich dieser Mangel an Schlaf über längere Zeit, hat das messbare Folgen für den Körper.
Schlafmangel hat auf die Reaktionsfähigkeit einen ähnlichen Einfluss wie Alkohol. Nach 24 Stunden Schlafentzug reagierten Teilnehmer einer Studie im Durchschnitt wie Menschen, die ein Promille Alkohol im Blut haben. Es gibt aber auch Ausnahmen: Menschen, die wenig sensitiv auf Schlafmangel reagieren und deren Fähigkeiten kaum beeinträchtigt sind.
Psychische Folgen von Schlafmangel
Neben dem Reaktions- und Entscheidungsverhalten beeinträchtigt Schlafmangel die Psyche auch auf weitere Arten: Die Gedächtnisfähigkeiten nehmen ab, man wird schnell reizbar und unkonzentriert. Auch Depressionen sind eng mit Schlafmangel verknüpft. Das heisst: Schlafmangel kann depressive Stimmungen auslösen. Wer unter Depressionen leidet, schläft wiederum häufig schlecht – ein Teufelskreis.
Kann Schlafmangel am Wochenende aufgeholt werden?
Viele Experten empfehlen einen regelmässigen Rhythmus, vor allem beim Aufstehen. Demnach kann man einen Mangel nicht mit mehr Schlaf am Wochenende kompensieren. Auch eine aktuelle, viel zitierte Studie ändert daran nicht viel. Sie kam zum Ergebnis, dass Menschen, die Schlafmangel am Wochenende nachholen, zumindest nicht früher sterben. Allerdings ist nicht erfasst, wie konzentriert und leistungsfähig die Probanden im Alltag waren. Deshalb gilt nach wie vor: Zu wenig Schlaf über längere Zeit ist ungesund und kann nicht nachgeholt werden.
Schlafmangel wirkt sich auf die Arbeit von Genen aus
Was viele nicht wissen: Unsere Gene arbeiten ein Leben lang. Der Körper ist auf die Arbeit der Gene, die Genexpression, angewiesen, da sie zum Beispiel die Zellen regeneriert. Schlaf wirkt sich nach einer Forschergruppe der University of Surrey auch auf die Genexpression aus.
Schliefen die Teilnehmer der Studie über eine Woche nur knapp 6 Stunden, brachte das die Genexpression durcheinander. Das beeinflusst wiederum Hormone, die im 24-Stunden-Rhythmus ausgeschüttet werden und bringt damit die «innere Uhr» des Menschen durcheinander. Man geht davon aus, dass dadurch die Zellen am gesamten Körper schlechter regenerieren können, das Immunsystem geschwächt und Stress schlechter kompensiert wird.
Schlafmangel erhöht den Blutzucker
Laut Forschungen beeinflusst Schlafmangel die Glukose Toleranz. Demnach haben Menschen, die unter 6 Stunden schlafen, erhöhte Blutzucker-Werte. Manche weisen nach einer Woche Schlafentzug bereits die Stoffwechsellage ähnlich eines Diabetikers auf.
Langzeitfolgen
Schlafmangel hat also eine ganze Reihe an Folgen, die unmittelbar mit dem Schlafentzug einhergehen. Die Folgen von Schlafmangel bringen auch langfristig Erkrankungen mit sich. Eine Forschergruppe aus den USA fasst Ergebnisse mehrerer Studien zusammen. Mit chronischem Schlafmangel steigt demnach zum Beispiel das Risiko an Diabetes Mellitus oder Herz-Kreislauf zu erkranken. Solche grossangelegten Studien belegen klar, dass Menschen, die zu wenig schlafen tendenziell früher sterben. Das Problem solcher Studien: Es gibt aber auch einen Teil von Menschen, die weniger sensibel auf Schlafmangel reagieren. Die Studien zeigen deshalb lediglich eine Tendenz, sagen aber nichts über den Einzelnen aus.
Von Person zu Person unterschiedlich
Laut Experten reagieren Menschen sehr unterschiedlich auf Schlafmangel. Während einige extrem empfindlich reagieren und sich bei Schlafmangel kaum konzentrieren können, leiden andere nur unter minimalen kognitiven Einschränkungen. Entscheidend ist laut Serge Brand, Psychologe und Schlafforscher am UPK Basel, «weniger die Schlafdauer, sondern die subjektiv empfundene Schlafqualität». Die Schlafqualität hängt wiederrum eng mit dem Schlafrhythmus und dessen Phasen zusammen.
Gibt es Morgen- und Abendmenschen?
Es gibt sie tatsächlich, die typischen Morgen- oder Abendtypen – Lerchen und Eulen. Während sich die Eule höchst ungern bereits morgens um sechs Uhr aus dem Bett schält, ist die Lerche bereits zur Höchstform aufgelaufen. Gemäss dem deutschen Schlafforscher Jürgen Zulley sind aber bloss 15 Prozent der Bevölkerung eindeutig dem einen oder anderen Typus zuzuordnen. Der ganze Rest gehört zum breiten Mittelfeld der Normalschläfer. Gemäss Zulley geben die Gene vor, ob jemand als Eule oder Lerche durchs Leben geht.
Das Schlafbedürfnis wandelt sich mit dem Alter
So individuell die Schlafbedürfnisse jedes einzelnen Menschen sind, so stark wandeln sie sich im Verlauf unseres Lebens. Während neugeborene Babys rund 16 Stunden am Tag schlafen, liegt das Schlafbedürfnis von Kindern zwischen fünf und zehn Jahren bei neun bis elf Stunden. Bis ins Alter sinkt die Schlafdauer kontinuierlich. Wer also als Siebzigjähriger nach sechs oder gar fünf Stunden aufwacht, braucht sich in der Regel keine Sorgen zu machen.